Wir befinden uns in der Hölle, dem Stammsitz der Firma „Fate LLP“, deren Eigentümer und Geschäftsführer S. Atan – warum lege ich mir diesen Teil des Textes nicht endlich mal als Textbaustein irgendwo ab, anstatt ihn immer wieder neu zu tippen … – sich mit betändigem Kopfschütteln durch diverse Druckerzeugnisse journalistischer Art blättert und sein Unverständnis auch gleich gegenüber seinem Assistenten und Untergebenen Lübke kundtut.
„Ich muss Ihnen mein Unverständnis kundtun, Lübke. Ich verstehe die Welt nicht mehr.!“
„Inwiefern, Chef?“
„Ach, die Menschen regen mich einfach auf. Verstehen Sie?“
„Nun, solange Sie nicht konkret werden …“
„Na, nehmen wir doch einfach mal diese zahlreicher werdenden „Querdenker“-Demos. Da laufen Menschen rum, die für sich immer wieder in Anspruch nehmen, ernst genommen zu wollen, oder!?“
„Stimmt.“
„Ja, aber dann laufen die dazu zusammen mit Menschen rum, die es mit unserer freiheitlich-demokratischern Grundordnung nicht so wirklich haben, laufen mit Menschen rum, die Plakate hochhalten, mit denen sie gegen Dinge protestieren wollen, die es gar nicht gibt, wie beispielsweise die Impfpflicht, laufen mit Menschen rum, die beispielsweise in Karlsruhe ein Transparent trugen mit der Aufschrift „Zu wenig Luft macht krank und kann töten“, womit sie gegen die Maske protestierten, allerdings viel mehr bewiesen, dass ihr Hirn wohl selbst kürzlich zu wenig Luft bekommen hat, laufen …“
„Atmen, Chef, atmen …“
„Unterbrechen Sie mich nicht! Laufen mit Menschen rum, die beklagen, in einer Diktatur zu leben und diesen Vorwurf noch im Moment des Vorwurfs mit eben der Tatsache, dass sie gerade demonstrieren gehen, ohne dass sie jemand inhaftiert oder erschießt, entkräften, was eine Zerebralvolte darstellt, die man sich erst mal ausdenken muss! Und dann wundern sie sich, dass man sie nicht ernst nimmt?“
„Zugegeben …“
„Mal im Ernst, Lübke, hätte ich in den 80ern behauptet, David Bowie sei ein Botschafter der Vogonen, betraut mit der Aufgabe, die Invasion vorzubereiten, mit der uns die Vogonen mittels ihrer Dichtkunst in die Kapitulation reimen wollen, dann hätte man mir möglicherweise ärztliche Hilfe zukommen lassen, mich im besten Fall aber wenigstens vollkommen berechtigt als Idioten bezeichnet. Wenn ich das heute mache, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass irgendein Volltrottel brüllt: „Das ist es! Exakt so muss es sein! Plötzlich wird alles so klar!“, sich dann ein Transparent bastelt und zusammen mit 20 anderen Volltrotteln hinter mir her marschiert, um die Welt vor der Invasion durch die Vogonen zu warnen!“
„Tja …
„Und statt sich dann die Freiheit zu nehmen, solche Idioten als das bezeichnen zu dürfen, was sie sind, nämlich Idioten, sind wir vor dem Hintergrund der political correctness und gesprochener Gender Gaps dazu übergegangen, möglichst diskussionsinklusiv auf jede hanebüchene Behauptung und jede spinnerte Gruppe einzugehen, und seien sie noch so abstrus, um nur niemandem vor den Kopf zu stoßen, anstatt einfach mal zu sagen: „Mit euch reden wir nicht, ihr seid nämlich blöd im Kopp!“
„Aaatmen, Chef …“
„Dafür wird der Ton andernorts in jeder Diskussion rauer, weil man offensichtlich verlernt hat, dass a) es auch mal darum geht, andere Meinungen auszuhalten und b) es zu jedem Thema auch Graustufen gibt, ich also nicht entweder linksgrünversiffter Gutmensch oder Nazi sein kann, sondern auch irgendwo dazwischen. Keine Ahnung, wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte, sind wir doch alle sonst immer so besorgt, im öffentlichen Diskurs niemandem vor den Kopf zu stoßen. Ha, vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir darüber so besorgt sind …“
„Nun …“
„Nein, Lübke, ich bin der Meinung, man sollte mal wieder das zeigen, was man früher „klare Kante“ genannt hat. Wenn man das täte, gäbe es heute noch Massenproteste gegen die Einschleusung diverser Krawallisten durch AfD-Abgeordnete ins Reichstagsgebäude, anstatt dass man sich mit einer Entschuldigung durch den verwirrten, älteren Herrn mit der Hundekrawatte und hanebüchenen Parteiverbotsforderungen zufrieden gibt. Was muss denn nach Erstürmung der Reichstagstreppe und besagten Krawallisten noch passieren, bis es irgendwann mal eine wirkliche Reaktion gegen die rechten Schwachmaten gibt? Die Einschleusung eines weiteren Idioten mit Kunststoff-Wumme aus dem 3D-Drucker?“
„Chef, ich …“
„Oder nehmen wir nochmal die Querdenker! Auf der Demo in Karlsruhe steht eine Elfjährige und klagt, sie habe ihren Geburtstag heimlich feiern müssen – darauf ganz zu verzichten, fiel dem augenscheinlich frustrationsintoleranten Mädchen und ihren Eltern wohl nicht ein -, und dabei mussten sich alle ganz still verhalten, damit sie niemand verpetzt und sie habe sich gefühlt wie Anne Frank!
„Wow!“
„Ja, oder!? In einer entsprechenden Demo in Hannover stand Jana aus Kassel und schwurbelte, sie fühle sich „wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten aktiv im Widerstand tätig bin (…)“. Ja, sag mal, gehts noch!? Warum laufen diesen Querdenker-Idioten nach solchen Ereignissen nicht scharenweise die Unterstützer weg? Warum erklären nicht unzählige AfD-Mitglieder nach den Vorkommnissen vor und im Reichstag ihren Parteiaustritt? Sind die Menschen tatsächlich bereit, jeden Scheiß zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele zu akzeptieren? Ich verstehe es nicht, Lübke, ich verstehe es nicht …“
„Tja, also …“
„Und dann die Medien, namentlich der Nachrichtensender „Welt“, dessen bloße Existenz das beste Argument für die Beibehaltung des Rundfunkbeitrags ist, die man sich vorstellen kann. Dort sitzt ein Moderator und stellt einem Virologen die Frage, warum man sich offensichtlich so auf die Infektionszahlen fixiert, die für sich genommen ja überhaupt nicht aussagekräftig seien. Und man denkt sich: „Hm, das habe ich auf der letzten Querdenken-Demo auch schon mal so gehört . Und dann fragt er, da er unterstellt, dass das Konzept der Regierung ja offensichtlich gescheitert sei, ob es es nicht klüger sei, die Risikogruppen besser zu schützen und alle anderen einfach machen zu lassen, was ein vollkommen unpraktikabler Vorschlag ist, was er wüsste, wenn er sich damit beschäftigt hätte und zudem einer, den man ebenfalls häufig auf diesen Demos hört. Und letztlich behauptet er „Wir wissen, dass sich derzeit massenhaft Schüler anstecken (…)“ Und ich frage mich: „Wissen wir das? Oder meinen wir das nur?“ Tatsache ist, dass von etwa 3.000 Schulen in Niedersachen mit Stand vom Wochenende 12 oder 13 komplett geschlossen waren, in etwa 300 einzelne Klassen oder Kurse nach Hause geschickt wurden und in etwa 300 weiteren mit halber Klassenstärke unterrichtet wird. Das bedeutet in Summe und im Umkehrschluss, dass an etwa 80 Prozent der Schulen, zumindest in Niedersachsen, alles funktioniert wie immer. Woher nimmt der Typ also seine Unterstellungen? Und warum nimmt ihm niemand noch vor laufenden Kameras seine Zettel ab und sagt: „Du machst jetzt mal ’ne Weile Urlaub?“ So ein Geblubber kann man vom Avocadolf Hildmann erwarten, aber doch bitte nicht von einem Journalisten!“
„Beruhigen Sie sich, Chef!“
„Das ist es ja gerade: Ich will mich nicht beruhigen! Die Menschen beruhigen sich schon viel zu oft und viel zu schnell. Frei nach Greta Thunberg: Ich will, dass ihr euch aufregt!“
„Das …“
„So, das musste jetzt mal gesagt sein. Zurück zum Tagesgeschäft. Wie Sie wissen, sprachen wir darüber, wie wir mit den augenscheinlich vorhandenen Corona-Leugnern und Verschwörungsschwurblern in unserer Belegschaft umgehen sollen und wollten dementsprechende Konzepte erarbeiten.“
„Ich weiß. Wie sieht Ihres aus?“
„Ich halte eine Rede vor der versammelten Belegschaft!“
„Gute Idee. Mit welchem Inhalt?“
„Mit dem Inhalt … der Entwurf muss doch hier irgendwo … ach hier. Also, meine Rede lautet: „Liebe Kolleginnen und Kollegen. Mir ist zu Ohren gekommen, dass es in unserem Betrieb Mitarbeiter gibt, …“
„Mitarbeitende, muss das hei… AUA!“
Die Schelle haben Sie sich verdient. Schnauze halten, weiter im Text. Dass es also „Mitarbeiter gibt, die die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus massiv unterwandern. Wir führen innerhalb unseres Betriebes immer offene Diskussionen, in denen wir immer auch gegenteilige Meinungen erlauben. Im vorliegenden Fall … macht ihr verblödeten Handlampen aber, verdammt nochmal, einmal was man euch sagt! Wen ich dabei erwische, wie er irgendwelche QAnon-Plakate bastelt, Transparente mit Politikern und Journalistinnen in Sträflingskleidung herstellt, oder sonst allgemein Mist macht, dem haue ich erst mal volles Pfund aufs Maul und setze ihn dann ungehend vor dir Tür! Für diesen Fall habe ich eine Auffanggesellschaft mit den Kollegen aus dem Himmel gegründet. Euer Arbeitsplatz ist dann nämlich dort, wo ihr den ganzen Tag frohlocken und Hosianna singen müsst. Überlegt euch also gut, ob es euch das wert ist. Ich werde euch nicht vermissen! In diesem Sinne, an die Arbeit!“ Na, was halten Sie davon, Lübke!?“
„Nun ja, vielleicht etwas … harsch!“
„Aber das ist doch, worum es mir geht. Klare Kante, ohne Herumgeschwurbel!“
„Ja, schon klar. Und dennoch …“
„Hm, na gut, was haben Sie denn als Konzept zu bieten?“
„Ich würde subtiler vorgehen.“
„Nämlich?“
„Ich gründe einen Orden!“
„Einen Orden …“
„Ja, ich verbreite in der Belegschaft die Information der Gründung eines über geheimes Wissen verfügenden Ordens.“
„Ah ja …“
„Genau. Ich nenne ihn den Pistazienserorden!“
„Jetzt werden Sie albern, Lübke.“
„Nein, albern wäre ich, wenn ich fragen würde, ob die Bewohner unseres östlichen Nachbarstaates, wenn sie in der Pariser U-Bahn unterwegs sind, Metropolen sind.“
„Lübke, bitte!“
„Tschuldigung. Jedenfalls, ich gründe also diesen Orden …“
„… der welche Ziele vertritt?“
„… der die Huldigung dieser wohlschmeckenden, grünen Steinfrucht vorschreibt, wie es der Urvater des Ordens, der Heilige Pistazius, niedergeschrieben hat.“
„Sagen Sie, wann waren Sie eigentlich zuletzt bei unserem Betriebsarzt?“
„Halten Sie mich nicht für verrückt, Chef, ich bin sicher, dass das funktioniert. Mit der Aussicht, in den Besitz von geheimem, exklusiven Wissen, quasi der alleinigen, allumfassenden Wahrheit zu gelangen, werde ich die entsprechenden Leute sicherlich aus der Reserve locken können.“
„Und dann?“
„Dann lasse ich verlauten, dass sich der Orden jede Woche in der Vorhölle trifft.“
„Wollten wir da nicht ein Stadion errichten?“
„Ja, eben! Und dort führe ich die Spinner hin – momentan darf da ja sowieso niemand rein – und sperre sie da weg. Solange, bis alle anderen geimpft sind und die Spinner keine Gefahr mehr für die sonstige Belegschaft darstellen.“
„Gefällt mir.“
„Wusste ichs doch …“